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Wozu brauchen wir noch einen CSD?

Foto: Heinrich v. Schimmer

Was 1969 in New York begann, wurde zum Namensgeber und Vorbild eines Kampfes um gleiche Rechte, der bis heute anhält und sich in Deutschland zu den CSD-Demos entwickelt hat.

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Kai Bölle

Vorstand CSD Deutschland e. V.

Anfangs stand der CSD stark unter dem Eindruck des Paragrafen 175. Die ersten Transparente richteten sich daher oft an die eigene Community. Sprüche wie „Schwule, lasst das Gaffen sein, kommt herbei und reiht euch ein“ oder „Lesben, erhebt euch und die Welt erlebt euch“ spiegeln wider, welchen Mut es damals kostete, sich offen zu zeigen.

Seitdem ist viel geschehen. Der Paragraf 175 wurde abgeschafft und seit Kurzem werden auch die Opfer rehabilitiert. Lebenspartnerschaften wurden ermöglicht und Regelungen zum Schutz vor Diskriminierung eingeführt. Ohne die wachsende Zahl an Teilnehmer(inne)n und an CSDs selbst wären diese Erfolge sicher nicht erreicht worden. Man darf wohl sagen, dass wir ein Maß an rechtlicher Gleichstellung erfahren, das noch vor 30 Jahren undenkbar war.

Wozu also noch einen CSD? Ist doch eigentlich alles erreicht. Sind die CSDs nicht sowieso nur eine große Open-Air-Party? Politik? Gleiche Rechte fordern? Sich womöglich selbst einbringen? Vor allem bei der jüngeren Generation ist Engagement nicht mehr selbstverständlich. Man wächst mit Freiheiten auf, die früher erkämpft wurden, und spürt nicht mehr die Notwendigkeit, sich selbst dafür zu engagieren.

Ja, wir brauchen den CSD!

Wir sind eine Minderheit. Eine Minderheit muss ständig um ihre Rechte kämpfen, denn Gesetze können sich ändern. Schwul ist immer noch das Schimpfwort Nummer eins auf deutschen Schulhöfen. Wer kennt nicht den Satz „Ich habe nichts gegen die, aber…“? In diesem Aber steckt sie. Die kleine, feine Diskriminierung, die allen Gesetzen zum Trotz noch tief in den Köpfen verwurzelt ist. Erleben wir nicht in den letzten Monaten eine breite und fast schon generelle Rückkehr zur Ausgrenzung von Minderheiten?

Pegida, besorgte Eltern oder Demo für Alle führen uns dies deutlich vor Augen. Vorurteile zu entkräften klappt am besten, wenn ich Erfahrungen schaffe. Indem ich Menschen mit dem konfrontiere, was sie nicht kennen, um sich ein eigenes Urteil zu bilden. Das bedeutet, dass ich so leben sollte, wie ich bin. Mich zeigen, auf Menschen zugehen. Damit sie das Hörensagen durch ein direktes Bild vom Erleben mit mir ersetzen können.

Um dafür den Mut haben zu können, hilft es, wenn ich weiß, dass ich nicht alleine bin, und wenn ich einen Rahmen habe, in dem ich mich ausprobieren kann. Wo wir alle gleich sind. Wo ich selbst erlebe, dass ich normal bin und wir viele sind. Gerade dieser Punkt macht für mich den CSD heute weiterhin wichtig. Weil er real ist und nicht virtuell.

Der CSD stand schon immer in enger Beziehung zu anderen Minderheiten und forderte die Integration von Menschen mit Handicap, mit ausländischen Wurzeln und vielem mehr. So sind Gebärdendolmetscher bei CSDs bundesweit Standard.

Die CSDs in Deutschland sind mehr als lediglich eine Demonstration für die Gleichberechtigung Trans- und Homosexueller. Sie sind ein Signal für eine offene, vielfältige und tolerante Gesellschaft und damit ein Bekenntnis zu den Grundrechten und dem Fundament unserer Gesellschaft.

Sei bunt! Sei laut! Sei dabei! Zeig dich so, wie du bist. Mache auf dich aufmerksam. Ob du schwul bist oder lesbisch. Vielleicht bist du bi oder transsexuell. Nur gemeinsam sind wir weiterhin stark. Der CSD in deiner Stadt braucht dich und deine Stimme.

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