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FASZINATION MUSIK

„Analog ist echt“

Foto: Colin Stewart

Der Fotograf Colin Stewart ist spezialisiert auf atemberaubende Outdoor-, Natur- und Actionaufnahmen, macht aber auch Portraits von Sportlern oder Musikern. Auch Mario Schönhofer und Tobi Weber, die Musiker von Ströme hat er mit einer Leica analog fotografiert. Was fasziniert ihn an analoger Kunst? 

Colin Stewart

Fotograf

Colin, wie kamst du zur Fotografie?

Mein Vater, der selbst eine Leica hatte, hat mir als Kind meine erste Kamera geschenkt. Ich bin Mountainbiker und als ich 2004 nach München kam, fing ich an, das zu fotografieren, was ich tat. Ich habe für ein Münchner Mountainbike-Magazin geshootet, entwickelte mich weiter und beschäftigte mich mehr mit Street- und Modefotografie. Ich ging auch weiter in einen künstlerischen Bereich und arbeitete immer mehr in Schwarz-Weiß.

Analog ist echt. Es ist wärmer als digital. Das ist bei Musik und Fotografie sehr ähnlich.

Colin

Bevorzugst du Analog- oder Digitalfotografie?

Es kommt darauf an. Digitale Bilder sieht man schneller, das ist gut, wenn ich für Magazine shoote. Wenn ich privat fotografiere, habe ich mehr Zeit, dann wähle ich meist analog.  

Was fasziniert dich an analoger Fotografie? 

Die Einfachheit, Ehrlichkeit und die Mechanik. Bei einer analogen Kamera musst du vieles selbst machen – das gefällt mir. Die Kamera gibt das Tempo vor und zwingt mich dazu, Unvollkommenheiten zu akzeptieren, sie werden Teil der Kunst. „Schärfe ist ein bürgerliches Konzept“ – der Ausspruch von Henri Cartier-Bresson trifft es auf den Punkt.

Du arbeitest viel in Schwarz-Weiß – warum?

Ich liebe Schwarz und Weiß und Grau, es ist einfach und ursprünglich. Ich arbeite aber auch mit Farbe.

Tobias Weber

Die analogen Synthesizer bei Ströme ermöglichen uns einen unverwechselbaren, warmen Sound zu kreieren. Die spannende Wechselwirkung zwischen Mensch und Maschine beeinflusst uns als Musiker und unsere Musik.

Tobi

Ströme, die Musiker, hast du mit ihren modularen Synthesizern analog mit einer Leica fotografiert. Wie ist es, mit dieser Kamera zu arbeiten?

Mit einer Leica arbeitest du direkt mit dem Licht, ohne automatische Fokussierung –  das ist unmittelbar und sehr befriedigend. Man konzentriert sich ganz auf das Motiv. Eine analoge Kamera wächst mit einem. Man muss eine Weile mit ihr arbeiten, um zu lernen, was man alles mit ihr machen kann.

Foto: Colin Stewart

Ströme und du, euch verbindet die Leidenschaft für hoch spezialisierte Geräte – wie war die Zusammenarbeit? 

Ströme spielten auf dem Dach eines Hauses; es war Nachmittag und ich machte ein paar Porträts, fotografierte die analogen Synthesizer von Ströme mit den hunderten von verschiedenen Kabeln … das Event, die Musik – es war einfach unglaublich, ich habe es geliebt! Ströme und ich teilen die Leidenschaft, ganz in etwas vertieft zu sein. Sie sind Künstler, die mit dem verschmelzen, was sie tun.

Mario Schönhofer

Jedes Ströme-Konzert ist anders, hat eine besondere Atmosphäre. Das Publikum ist dabei, der Raum hat einen eigenen Klang – es entsteht immer etwas Neues.

Mario

DAS IST STRÖME

Das Instrument, das Ströme spielen, sieht nach der Kommandozentrale eines Retro-futuristischen Raumschiffs aus. Es sind hunderte von Kabeln und Knöpfe, an denen Mario Schönhofer und Tobias Weber drehen, umstecken und Töne modulieren. Der riesige analoge Synthesizer baut sich wie eine Wand vor ihnen auf. Ströme sind dafür bekannt, mit dem Rücken zum Publikum zu performen. Weil es gar nicht anders geht. Bei ihren Life-Sets entstehen die vielschichtigen Melodien in Echtzeit aus dem Moment heraus. Mit jedem Klicken und Drehen bauen sie sich weiter auf, wachsen und wabern, interagieren mit der Akustik des Raums. Mit And. Y und Eberhard Schoener haben sie live gespielt, Anne Clark und Wolfgang Flür wurden im Publikum gesichtet. Der Sound von Ströme: zeitgenössische Reminiszenzen an Amon Düül, Tangerine Dream, Jean Michel Jarre oder Air Liquide. Im Gegensatz zu digitalem Sound ist der Klang modularer Synthesizer warm. Er hat Tiefe, erzeugt Gefühl. Gerade hat das Duo mit Nick McCarthy von Franz Ferdinand „Right Now“, die erste Single ihres Debütalbums „Nr. 2“ veröffentlicht, das sie mit Eberhard Schoeners legendärem Moog IIIp eingespielt haben, der schon Beatles-Hits, Giorgio Moroder und Donna Summers „I feel Love“ unsterblich machte.

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Gute Musik altert nicht

Christian Schaaf, Gründer von Klassik. TV spricht im Interview über die Wahrnehmung der klassischen Musik in der heutigen Zeit.

Keine Zukunft ohne Vergangenheit“ – was fällt Ihnen dazu ein?

Oh, gleich philosophisch. (lacht) Eines der größten jungen Talente am Klavier, Daniil Trifonov, sagte kürzlich vor seinem Debut an der Carnegie Hall in New York, dass seine größte Herausforderung beim Musizieren ist, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu einer Einheit werden zu lassen. Wirklich hören kann man aber nur den Moment, in dem man spielt. Das unglaublich faszinierende an der menschlichen Art, Musik zu produzieren und wahrzunehmen ist aber, dass man gleichzeitig das Verklungene, das gerade Klingende und die Vorstellung von dem, was gleich klingen wird, in seinem Gehirn zusammensetzen kann. Je besser man das kann, desto besser auch die Chancen auf echte Musik. Ein sehr schönes Gleichnis.

Genauso ist es nämlich mit der klassischen Musik im Allgemeinen, worauf Ihre Frage vermutlich zielte. Gute Musik altert nicht, weil sie immer wieder neu produziert wird. Und damit meine ich nicht nur neue Aufführungen, sondern auch jedes Mal dann, wenn Musik von jemandem angehört wird. Dann entsteht sie neu. Im Kopf und Herzen des Zuhörers. Und auch, wenn es immer wieder Unkenrufe gibt: Die Konzertsäle sind voll. Die Opernhäuser und Festivals auch. Das symphonische Orchester ist eine der phantastischsten und komplexesten Errungenschaften unserer Kulturgeschichte.

Und selbst die, die meinen, sie würden nie symphonische Musik hören, erinnern sich bitte an ihren letzten Kinobesuch. Großes Kino ohne Orchestermusik ist beinahe undenkbar. Egal, ob Romanze, Thriller oder Action.

Und was die Zukunft betrifft, wäre es vielleicht gar nicht so schlecht, wenn diese Zweige der klassischen Musik wieder zusammenfinden. Die Oper war schließlich so etwas wie das Hollywood des 19. Jahrhunderts.

Sie sagten einmal, dass Ihre Leidenschaft für die Musik durch den Tanz begann. Bitte gehen Sie näher darauf ein. Wie ist Ihre Leidenschaft zur Musik entstanden?

Nicht wirklich. Ich habe lange musiziert, bevor ich im zarten Alter von 23 Jahren mit dem Tanzen anfing. Mit 16 Jahren habe ich sogar mal einen Klavierwettbewerb gewonnen. Und dann irgendwann kam das Tanzen. Trotz meines ultra-späten Starts habe ich noch ein passable Karriere als Halb-Solist an einer großen deutschen Staatsoper hinbekommen, durfte Solorollen in den großen romantischen Balletten wie „Schwanensee“, „Nussknacker“ und „Giselle“ tanzen und auch viele moderne Rollen interpretieren. Das Witzige ist nur: Wenn ich zurückblicke ist das, was mir am Meisten fehlt, der Luxus, jeden Tag gratis symphonisches Orchester hören zu dürfen.

Und wie hat sich diese dann weiterentwickelt?

Ich habe viel musiziert und auch extrem viel Musik gehört. Während meiner Zeit als Dokumentarfilmproduzent habe ich mir auch bisweilen den Luxus geleistet, die Filmmusik selber zu schreiben und zu produzieren. Außerdem moderiere ich seit ca. 5 Jahren die „Operngespräche“ bei denen ich das Glück habe, prominente Gäste aus der Opernwelt zu ihren Premieren zu befragen.

Was ist Ihnen innerhalb der Zeit an der Staatsoper in Hannover am intensivsten in Erinnerung geblieben?

Eindeutig meine Rolle als „Rotbart“ in Schwanensee. Das lag mir einfach. Ich fand es immer schon langweilig, der Prinz zu sein. Die Bösen sind viel interessanter.

Klassik TV, ein Streaming Dienst für Musikliebhaber, wie entstand die Idee?

Die hatte ich komischerweise gar nicht selber. Mein damaliger Partner in der Filmproduktion kam damit an, ohne zu realisieren, was er damit beim mir anrichtete. Seither bin ich süchtig.

Klassik.TV ist meine Leidenschaft und meine Droge. Und, wie man an unseren Usern sehen kann: Sie ist ansteckend. Hochgradig stimulierend – aber gesundheitlich völlig unbedenklich. 

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