Interview mit Prof. Lutz Neugebauer, Vorsitzender der Deutschen musiktherapeutischen Gesellschaft sowie Leiter des Nordoff/Robbins-Zentrum in Witten, über Musiktherapie-Angebote für Kinder und Erwachsene.
Was verbinden Sie mit Bild und Ton?
Eine stetige, lebendige und anhaltende Veränderung: Vor hundert Jahren war Musik ausschließlich dort zu hören, wo sie jemand wirklich spielte, die Fotografien eines ganzen Lebens passten in ein Fotoalbum. Heute ist Musik überall verfügbar und Bilder dokumentieren unser Leben fast in Echtzeit. Sie greifen die Frage auf, was diese Veränderung bedeutet. Mir gefällt der Zugang, dies über Interviews zu bewegen, weil so eine Nähe und Authentizität entsteht, die dem Thema entspricht. Dass Musik als Therapie in diesem Heft ihren Platz findet, spiegelt die Bedeutung wider, die sie für jeden Einzelnen haben kann.
Was kann man sich unter Musiktherapie genau vorstellen?
Musik wird von ausgebildeten Musiktherapeuten sachkundig eingesetzt, um Leiden zu lindern oder Erkrankungen zu behandeln. Musiktherapie kann helfen, schwierige Lebenssituationen zu bewältigen, die durch seelische oder körperliche Krankheiten aufgetreten sind, wo Worte an Grenzen stoßen.
Wann und bei wem wird sie angewandt?
Musiktherapie erreicht alle Altersstufen: frühgeborene Kinder, Kinder, deren Entwicklung verzögert ist, autistische Kinder oder auch Kinder und Jugendliche, die im sozialen und emotionalen Bereich Probleme haben. Musiktherapie hilft auch bei Erwachsenen mit psychiatrischen, psychosomatischen oder körperlichen Erkrankungen, bei älteren Menschen, die zum Beispiel einen Schlaganfall erlitten haben oder von Demenz betroffen sind. Sie wird in der akuten Behandlung ebenso eingesetzt wie in der Rehabilitation oder auch im ambulanten Bereich. Musiktherapie ist inzwischen in maßgeblichen Behandlungsleitlinien zu finden.
Was kann Musiktherapie bewirken?
Bei allen beispielhaft genannten Indikationen ist Musik deshalb sehr hilfreich, weil in der Musiktherapie krankheitsbedingte sprachliche, intellektuelle oder körperliche Grenzen überwunden werden können.
Klang, Ton und Musik spielen in der Musiktherapie die zentrale Rolle.
Wir treten als Musiktherapeuten in eine Beziehung zum Patienten – er braucht dazu keine besondere Vorerfahrung oder Kenntnis. Das Erleben der Musik, das eigene Musizieren stiftet eine einzigartige therapeutische Beziehung.
Sie hilft, Sprachlosigkeit zu überwinden, was bisher nicht ausgesprochen werden konnte, doch ausdrücken zu können – eben in Musik – und die Gewissheit zu haben, gehört zu werden.
Wie passen Bild und Ton in diese Form der Therapie?
Klang, Ton und Musik spielen in der Musiktherapie die zentrale Rolle. Bild- und Tonaufzeichnungen waren – seit etwa 50 Jahren – auch Voraussetzung für die wissenschaftliche Entwicklung des Faches, für die Vermittlung an Studenten und für viele Weiterentwicklungen. Anhand von Bild- und Tondokumenten lässt sich beschreiben und zweifelsfrei belegen, was in der therapeutischen Interaktion geschehen ist.
Was inspiriert Sie an Ihrer Arbeit?
Die Musik, und zwar die je eigene Musik jedes Patienten. Genauso wie die Begegnungen mit Menschen, die nur in der Improvisation so möglich werden, zum Beispiel mit Kindern, die nicht sprechen können.
Wo und wie kann man sich über Musiktherapie informieren?
Ein erster Anlaufpunkt wäre die Internetseite der Deutschen Musiktherapeutischen Gesellschaft, DMtG: www.musiktherapie.de. Gute Informationen bieten auch die Mediatheken von ARD und ZDF, weil man hier unter dem Stichwort „Musiktherapie“ redaktionell begleitete Beiträge findet.