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Dem Smart-Home-Markt stehen in bestimmten Anwendungsfeldern die besten Wachstumszeiten erst noch bevor

Foto: Dr. Bernd Kotschi

Ein Interview mit Dr. Bernd Kotschi, im Vorstand der SmartHome Initiative Deutschland e. V. sowie Managing Director, KOTSCHI CONSULTING, Strategie- und Umsetzungsberatung mit Fokus auf Digitalisierung, Geschäftsmodelle und Plattformen für Smart Home und Energy Management.

Dr. Bernd Kotschi

Managing Director, KOTSCHI CONSULTING, Strategie- und Umsetzungsberatung mit Fokus auf Digitalisierung, Geschäftsmodelle und Plattformen für Smart Home und Energy Management

Zudem ehrenamtlich im Vorstand der SmartHome Initiative Deutschland e.V.

Inwieweit ist das Potenzial an „Smart Home“ bereits ausgeschöpft?

Stand heute sind Unternehmen aus knapp 15 Branchen im Smart Home Markt aktiv. All diejenigen Marktakteure, die mit ihren Leistungsangeboten einen Berührungspunkt zum Zuhause des Kunden haben, arbeiten an der Digitalisierung ihrer Produkt-/ Serviceangebote und treiben Partnerschaften zum Aufbau sog. Smart Home Plattformen bzw. Ecosysteme voran.

Die Anbieter smarter Produkte wollen dann über die vernetzten Geräte und die Kundeninteraktionen mit den Apps möglichst viele Daten gewinnen, die wiederum genutzt werden können, um die eigenen Smart Home Konzepte noch besser auf die Kundenanforderungen abzustimmen sowie darauf aufbauend weitere, personalisierte Angebote zu unterbreiten.

Jedoch ist der Markt immer noch stark fragmentiert, die Angebotskonzepte sehr heterogen. Der Einzug sog. sprachbasierter Smart Home Assistenten wie Siri, Alexa und Co. und auch die Pandemie haben zwar einen Schub im Smart Home Markt bewirkt, jedoch stagniert in weiten Teilen die Marktentwicklung.

Auf Seiten der Verbraucher verschiebt sich nämlich die Nachfrage von Gadget-orientierten Smart Home Produkten in Richtung branchenspezifischer Lösungen von etablierten Markenanbietern z.B. aus den Segmenten Sicherheit, Komfort-Automationen, Energiemanagement und Gesundheit.

Kurzum: Dem Smart Home Markt stehen in bestimmten Anwendungsfeldern die besten Wachstumszeiten erst noch bevor. An erster Stelle zu nennen sind hier Energiemanagement-Tools, die von immer mehr Smart Home Anbietern zur Differenzierung im Wettbewerb vorangetrieben werden.

Vor welchen Herausforderungen stehen die Unternehmen, woran wird gearbeitet, was sind die größten Baustellen?

Um die Akzeptanz im Markt voranzutreiben, arbeiten die Marktakteure an diejenigen Schwachstellen, die bei den Endkunden aber auch bei Installateuren häufig zu frustrierenden Erlebnissen und Vertrauensverlusten in Smart Home Produkte führen. Dazu zählen in erster Linie die Themen Benutzerfreundlichkeit, Geräte-/ Daten-Verschlüsselung sowie die beschränkten oder gar fehlenden Möglichkeiten zur Vernetzung der Produkte unterschiedlicher Anbieter.

Es fehlen den Plattformen schlichtweg die qualitativ hochwertigen Branchenlösungen etablierter Markenhersteller aus den Segmenten Sicherheit, Energiemanagement, Verschattung, Gesundheitsanwendungen etc., die häufig spezifische Schnittstellen aufweisen und i.d.R. mit professioneller Installation verbunden sind.

Vor dem Hintergrund beschäftigen sich immer mehr Smart Home Anbieter mit der Frage, inwiefern sie den neuen, weltweiten Kommunikations-/ Vernetzungsstandard für Smart Home Produkte „Matter“ unterstützen sollten.

Warum kann „Matter“ die Smart Home Branche verändern?

Mehr als 250 im Smart Home Markt agierende Unternehmen haben sich zusammengeschlossen, um mit der Entwicklung des Kommunikationsstandards Matter die genannten Kernprobleme im noch stagnierenden Smart Home Markt gemeinsam anzugehen, darunter auch die dominierenden Ecosystem-Anbieter Amazon, Apple, Google, Samsung.

Die Industrie setzt darauf, dass der Einzug von Matter-zertifizierten Produkten dem Smart Home Markt erheblichen Schwung verleihen wird, denn durch Matter ergeben sich vielversprechende Chancen für Industrie und Handel sowie deutliche Verbesserungen für den Endkunden hinsichtlich Vielfalt, Qualität, Zuverlässigkeit, Geräte-/ Daten-Verschlüsselung, Inbetriebnahme und Interoperabilität.

Ab September 2022 dürfen Endkunden mit der Einführung Matter-zertifizierter Produkte rechnen; erste Produktankündigungen waren auf der CES 2022 in Las Vegas bereits erfolgt.

Branchenexperten sind davon überzeugt, dass sich Matter zu einem Game Changer in der Smart Home Industrie entwickeln wird.

Gebäudeautomatisierungen werden immer mehr zum Standard für den Neubau von Wohnungen und diese Standards kosten viel Geld – Geld, welches sich sicherlich in den Mietpreisen widerspiegeln wird. Wird der Wohnungsmarkt für Menschen mit einem geringeren Einkommen dadurch unerschwinglich?

Smart Home Technologien gewinnen in der Immobilien- / Wohnungswirtschaft entlang aller Gebäudekanäle (Mehrfamilienhäuser, Apartments, Eigentumswohnungen, Studenten- und Seniorenwohnheime) zunehmend an Bedeutung und zwar nicht nur bei hochwertigen Neubau-Immobilien, sondern auch im Bestandsbau und im Segment der Sozialwohnungen.

Wenn Gebäude heute geplant oder nachgerüstet werden, geht es dabei insbesondere um ganzheitliche Konzepte zur Reduzierung der Gebäude CO2-Emissionen.

Mit dem Einsatz von Smart Home Technologien dürften sich zwar die variablen Energieverbrauchskosten für die Mieter reduzieren, jedoch sind damit auch erhebliche Investitionen verbunden, die sich wiederum auf die Miete auswirken. Diese Entwicklung wird nicht nur bei Mietern mit geringeren, sondern auch mit mittleren und höheren Einkommen zu spürbaren Mehrbelastungen führen, insbesondere in überhitzten Märkten mit niedrigen Leerstandsquoten.

Was dürfen wir im Segment Smart Home zukünftig noch erwarten, woran wird in der Entwicklung geforscht?

In den Innovationsbereichen der Smart Home Unternehmen werden Produktkonzepte entwickelt auf Basis der neuen Technologien aus den Bereichen künstlicher Intelligenz (KI), virtueller Realitäten (VR), Robotics sowie sensorbasiertes Energie- und Gesundheitsmanagement.

Künstliche Intelligenz (KI)und maschinelles Lernen (ML) sind heute bereits in einer Vielzahl Smart Home Produkte integriert, weil über Informationen und sensorbasierte Daten intelligente Algorithmen generiert werden können, mit deren Hilfe sich Smart Home Automationen noch besser an die individuellen Bedürfnisse der Bewohner eines Hauses anpassen lassen. Die KI steuert dann personalisiert die Geräte und Anwendungen auf Basis vorab definierter Präferenzen und Zielzustände.

Letztendlich wird durch die Integration von KI im Smart Home ein ganz persönliches Nutzererlebnis ermöglicht. Es ist davon auszugehen, dass in den kommenden Jahren KI standardmäßig in die Smart Home Anwendungen integriert und somit in immer mehr Räume des Hauses Einzug halten wird.

Smart Home Robotics

Das Bedürfnis nach mehr Komfort und Unterstützung im Haushalt, aber auch der Mangel an Arbeitskräften treibt die Investitionen in Robotic voran. Künstliche Intelligenz kombiniert mit Laser-Mapping-Technologien ermöglichen es Robotern, in unseren Wohngebäuden Gegenstände auszuwählen und zu bewegen sowie Hindernisse im Haushalt zu erkennen. So arbeiten nahezu alle großen Technologiekonzerne, wie z.B. auch Amazon, Tesla, Samsung an massenmarktfähigen Robotern, die alltägliche Aufgaben im Haushalt wie Kochen, Putzen, Waschen, Staubsaugen, Pflanzen gießen und Haustiere füttern absolvieren sollen.

Personalisierte Home Energy Manager

Die Notwendigkeit zur dauerhaften Reduzierung der CO2-Emmissionen in Wohngebäuden führt im Bereich der Ein- und Zweifamilienhäuser zu einem Boom von gebäudeintegrierten PV Anlagen, den Einsatz von Speichern und Wärmepumpen sowie von Ladestationen für E-Fahrzeuge. Die im Smart Home Markt agierenden Branchenplayer aus der Elektro- und Heizungsindustrie arbeiten an sog. „Net Zero Energy Homes“, bei denen KI- bzw. prognosebasierte Energiemanagementsysteme die Energieverteilung im Haus steuern und automatisieren. Je mehr elektrische Verbraucher über Smart Home Technologien direkt angesteuert werden können, desto höher ist der Einspareffekt für den Kunden.

Selbst die leistungsfähigen Batterien der E-Fahrzeuge kommunizieren dann mit dem Energiemanagementsystem im Haus, nicht nur um den selbst erzeugten Strom aus der PV Anlage ins Auto zu laden, sondern auch um mit dem Strom aus der Autobatterie das Haus zu versorgen.

In Smart Home integrierte Health Care Anwendungen

Im Zuge der Digitalisierung im Gesundheitswesen werden smarte Gesundheitsanwendungen in den nächsten zehn Jahren einen großen Teil des Wachstums im Bereich Smart Home ausmachen. Die Anwendungsfelder sind riesig und die Entwicklungen konzentrieren sich darauf, personalisierte Fitness-, Wellness- und Gesundheitskonzepte bis hin zur Pflege im Zuhause in die Smart Home Plattformen zu integrieren.

Einige der bereits heute zum Einsatz kommenden Technologien umfassen gut durchdachte Notrufsysteme mit Bodensensoren zur Erkennung von Stürzen, Robotic-Anwendungen zur Unterstützung pflegebedürftiger Personen, Medikamententracker etc..

Der TOP Trend lässt sich jedoch im Bereich der Fitness und Healthcare Analytics zuordnen. Konkret geht es z.B. um den Einsatz von Sensorik zur Schlafüberwachung, zur Analyse von Ausscheidungen in Toiletten oder um intelligente Spiegel, die die Gesundheit der Benutzer allein durch die Analyse ihrer Haut überwachen können und auch mit digitalen Healthcare-Dienstleistungen zur Analyse und Behandlung von Anomalien verbunden sind.

Was ist Ihre Vision von Smart Home?

Angesichts der Entwicklungen von Metaverse, KI, Augmented Reality (AR), Robotics und personalisierter Sensorik werden wir zunehmend tiefer in digital geprägte Welten eintauchen, bei der physische, reale und virtuelle Lebensräume verschmelzen und Anwendungen aus den Bereichen Wohnen, Freizeit, Arbeiten, Mobilität und Gesundheit um uns herum intelligent vernetzt sind.

Smart Home Technologien haben dann nicht nur das Potenzial, unser Zuhause komfortabler, sicherer und energieeffizienter zu machen und unser Wohlbefinden zu steigern, sondern darüber hinaus die Art und Weise zu revolutionieren, wie wir mit unserem Zuhause umgehen, darin leben und arbeiten.

Auch wenn manche der genannten Entwicklungen häufig noch Bedenken hinsichtlich Cyber Security, des Datenschutzes und der Selbstbestimmtheit hervorrufen, wird klar, dass wir – übrigens ähnlich wie beim Autonomen Fahren – beim Thema Smart Home das Potenzial bei weitem noch nicht ausgeschöpft haben.

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