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„Jede Küchenoberfläche kann eine Medienoberfläche sein“

„Jede Küchenoberfläche kann eine Medienoberfläche sein“
„Jede Küchenoberfläche kann eine Medienoberfläche sein“
Die Nutzung digitaler Medien wird in der Küche der Zukunft sicherlich eine zentrale Rolle einnehmen. Foto: Gts/Shutterstock

Prof. Dr. Jürgen Scheible lehrt an der Hochschule der Medien in Stuttgart Interaktionsdesign im Studiengang Werbung und Marktkommunikation. Im Interview spricht er über das Forschungsprojekt „SmartKitchen“.

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Prof. Dr. Jürgen Scheible

Projektleiter des Forschungsprojektes SmartKitchen

Herr Scheible, wie sieht die „Küche der Zukunft“ aus? 

Die Nutzung von digitalen Medien wird in der Küche der Zukunft sicherlich eine zentrale Rolle einnehmen. Und zwar sowohl Medien, die jeder persönlich präferiert, als auch Medien, die mit Hilfe eines digitalen Assistenten mittels Künstlicher Intelligenz personalisiert zusammengestellt werden. Dies betrifft Medieninhalte von der Kochplanung/Inspiration über die Einkaufs- und Kochunterstützung bis hin zu Vorschlägen und Tipps zur Essensdekorierung, Essensresteverwertung und Abwaschvorgänge.

Diese Medien werden bedienbar sein ohne irgendein Gerät anfassen zu müssen, und sie können an der Stelle in der Küche sichtbar gemacht werden, an der sie der Nutzer gerade haben möchte. Hier ist es denkbar, dass jede Küchenoberfläche – sei es Küchenschrank oder Arbeitsfläche – eine Medienoberfläche ist („Immersive“ oder „Augmented Media“), die zum Beispiel per Sprachinteraktion oder Gestik bedienbar ist.

Somit sind die Hände durchgängig fürs Kochen frei und können auch schmutzig werden. Neue Medien-Formate für Smart-Media-Rezepte werden Sensor- und Aktuatoren-Daten beinhalten, um die über das IOT („Internet of Things“) vernetzten Hausgeräte und Armaturen mitzusteuern.

Haben Sie Beispiele für alle, die jetzt nur „Bahnhof“ verstehen?

Zum Beispiel wenn zur Kochunterstützung ein Step-by-Step-Tutorial Video genutzt wird, kann an bestimmten Stellen im Video die Waagen-Anzeige digital zugeschaltet werden, oder wenn eine Sache für längere Zeit im Backofen gegart werden muss, wird das Timing und das Powermanagement des Backofens über Smart-Media-Rezepte und IOT gesteuert. 

Kocht diese „SmartKitchen“ irgendwann ganz selbstständig?

Das glaube ich eher nicht. Kochen ist ein Erlebnis, das mit allen Sinnen zu tun hat und auch riesigen Spaß machen kann. Sich dieses Erlebnis wegnehmen bzw. reduzieren zu lassen, halte ich für den falschen Weg. Daher sehe ich die SmartKitchen eher als Unterstützung und Erweiterung des Kocherlebnisses, bei dem der Kochende die Kontrolle über alles hat – und nicht andersherum.

Welche Vorteile bietet die SmartKitchen?

Eine SmartKitchen ist dann sinnvoll, wenn sie dem Nutzer klare Mehrwerte bietet. Zum Beispiel, wenn jemand sich dadurch zutraut, schwierigere Gerichte zuzubereiten und somit seinen Freunden oder seiner Familie etwas Tolleres bieten kann. Oder wenn man so überhaupt erst richtig kochen lernt, und vom Kochmuffel zum Kochbegeisterten wird. Es geht aber auch um die Summe kleinerer Dinge, die die SmartKitchen für mich erledigen kann. Wenn ich während des Kochvorgangs zum Beispiel drei Tassen lauwarmes Wasser brauche, wie es im Rezept aufgezeigt wird, sage ich zu meiner Küche „Ich brauche drei Tassen lauwarmes Wasser“, halte den Topf unter den Wasserhahn – und es kommen drei Tassen lauwarmes Wasser raus.

Geht es um die Integration ganz neuer Geräte, oder eher darum, unsere Küchen „klüger“ zu machen?

Ich denke, es geht eher um die Erweiterung der herkömmlichen analogen Küche, bei der das „smart“ auch abschaltbar ist, wenn man es gerade mal nicht will. Da man Küchen ja nicht alle zwei Jahre wechselt, der digitale Wandel aber sehr schnelllebig ist, sollte die smarte Erweiterung der Küche durch zusätzliche Geräte (die aber „versteckbar“ sind) ermöglicht werden, die sich nach kurzer Zeit einfach austauschen lassen, um sich so jeweils dem neuesten Stand anpassen zu können.

Wie kann Kochen durch moderne Technologie „intuitiver, geselliger und faszinierender“ werden?

Indem die Technologie das Kocherlebnis und das Esserlebnis unterstützen und erweitern. Hier können visuelle Medien und große „Presentation Spaces“ eine Rolle spielen, um zum Beispiel die visuelle Atmosphäre in der Küche zu gestalten. Oder wenn beim virtuellen Einkauf die Produkte nicht als kleines Icon auf einem Gerät angezeigt werden, sondern in echter Größe, Farbe und Ästhetik  auf der Arbeitsfläche erscheinen. Oder wenn man Thailändisch kocht, und sich die gesamten Küchenoberflächen mittels Projektion von Bildern und Animationen in ein entsprechendes Ambiente verwandeln.

Das Projekt arbeitet auf Grundlage umfassender Nutzerforschung. Wie steht es denn um die Kochkünste der „Digital Natives“?

Für die „Digital Natives“ ist die Mediennutzung natürlich sehr wichtig. Wir sehen zum Beispiel, dass mehr und mehr Teenager Follower von Videokanälen zum Thema Kochen und Backen werden, und statt mit dem Mobile auf dem Sofa zu sitzen lieber in der Küche stehen und mittels Tutorial-Video mit Freunden zusammen backen – und einfach Spaß haben.

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